Reality is
promiscuous,
at the very
least
25.05.23 (reality is promiscious)

Lino Peter und Nola Ouambo

Jana Vanecek, Künstler:in und Autori:n (Zürich und Genua), stellt eine Arbeit vor, die Planetary Health, Neurodiversität und Koautor:innenschaft mit künstlicher Intelligenz im Kontext von vielschichtig verwobenen sozio-politischen Diskursen verhandelt.
Wir haben noch einige Minuten, bevor der Salon beginnt.
Rauchend stehen wir auf der Metalltreppe vor dem Zimmer 055.
Jana gesellt sich zu uns
Und erzählt auf Nachfrage vom Unterschied zwischen nervös sein und aufgeregt sein
Der Vortrag beginnt, wir platzieren uns in der hintersten Reihe(work hard play hard, screen)

Janas Vortrag ist spannend
Nonlinear ist er
Strukturiert ist er(work hard play hard, screen)

Jana geht mit uns durch die Seiten der Publikation «Reality is promiscous, at the very last», welche 2022 entstanden ist.
Und erzählt uns dabei von Kraken, Algorithmen und Neurodivergenz.
Die Publikation besteht aus Textfragmenten von Donna Haraway, Gloria Anzaldua, Wahneema Lubiano, Maurice Merleau-Ponty, Sami Schalk, Memes aus der neurodivergenten Community und Jana selbst, wie auch aus Bildern, die Jana in den Programmen VQGAN und Clip erstellt hat.
Die Texte sind nicht als Bildunterschrift und die Bilder nicht als Textillustrationen zu verstehen, das betont Jana mehrmals.(work hard play hard, screen)

Jana hat sich vorbereitet, zu jeder Seite wird etwas erzählt, jedoch nicht spezifisch zur Seite, es ist «tentakulär» zusammenhaltend. Der Vortrag ist ein Netz und keine lineare Dramaturgie, was der Arbeit und ihrem Inhalt gerecht wird.
Jana liest ab, was in diesem Falle gar nicht stört, weil die gesagten Dinge dadurch sehr präzise werden. Um Zustände oder Begriffe zu erklären, macht Jana kurze frei erzählte Ausläufe, um dann wieder auf das Skript zurückzukommen.(work hard play hard, screen)

Wir lernen, wie anders Texten als Promt für eine Bildherstellung ist, dass beim Wort Cyborg ein weisser Mann in metallenen kalten Farben erscheint, dass KI Rassismus und andere Diskriminierungsformen reproduziert, wie gefährlich es ist, die Codes nicht öffentlich zugänglich zu machen, dass wir nicht wissen, mit welchen Daten eine KI gefüttert wurde. Wir lernen eine Erzählung über das Phänomen «hyperfokus» kennen und dass «aufmerksamkeitsdefizit» eigentlich ein falscher Begriff für AD(H)S-Betroffene ist, weil es mehr um die Form der Fokussierung geht. Jana erzählt davon, dass die Bewertung von Farben auch etwas mit dem Klassenhabitus zu tun hat, dass Neon und Rosa oft als billig abgewertet und daraus folgernd mit einem tiefen Bildungsstatus assoziiert werden. Gedeckte und zurückhaltende Farben, wie beispielsweise Grau und Beige, werden wiederum gemäss der Missy Magazine Autorin Josephine Papke als «classy» interpretiert und stehen in ihrer Farblosigkeit symbolisch für das Weisse.
Wir lernen vom Oktopus, dessen Hirn sich im ganzen Körper befindet. Wir lernen viel von Jana.

Am nächsten Tag treffen wir auf eine Person, die ebenfalls im Salon war und Kritik äussert. Wir erschrecken, hätten wir kritischer sein müssen?
Dieser Text ist nicht so scharf wie ein anderer Salontext der bereits geschrieben wurde.
Uns wird klar, wie stark eine Begegnung das Dokumentieren beeinflussen kann. Dieses Dokumentieren, welches immer so tut, als wäre es neutral und sachlich. Wir haben diesen Salon so wohlwollend begleitet, weil wir mit Jana zuvor auf der Metalltreppe standen, weil Jana in diesem Moment zu einem Mit-Menschen wurde, bei dem wir hofften, ihm würde dieser Vortrag gelingen. Durch die Begegnung wurde Empathie in uns geweckt, mehr als es ohne Begegnung passiert wäre. Und somit auch weitere Faktoren aktiviert, die neben der reinen Arbeit hineinspielten, das präzisere Verständnis für das Leben und Arbeiten einer Person, ein Bedürfnis nach Zuspruch und Unterstützung, ein Wohlwollen. Neben diesen Faktoren war dann das Suchen nach Lücken oder nicht-aufgehen weniger prioritär. Und eigentlich ist das ziemlich schön.